Thema in der Umkleide war diesmal: Freiheit. Nach ein paar lustigen Bemerkungen dazu meinte einer lapidar, bevor er unter der Dusche verschwand, dass sie wichtiger wäre als der Tod. Das erschien uns anderen reichlich unlogisch, schließlich nützt die Freiheit niemandem, der sie nicht mehr nutzen kann. Andererseits, gab jemand zu bedenken, gibt es genug Beispiele, wo Tiere in Gefangenschaft bei dem Versuch sterben, sich zu befreien. Warum hören sie nicht vorher auf und finden sich ab? “Tiere können eben nicht denken”, war die allgemeine Erklärung. Aber gibt es nicht auch Menschen, die sich genauso verhalten, obwohl sie einen Verstand haben?
In einer Diktatur wäre es bestimmt sinnvoll ‘Unter dem Radar’ zu leben, mit den Wölfen zu heulen und zu sehen, wie man sich durchschlängelt. Wahrscheinlich gilt das sogar für jede beliebige Regierungsform; ansonsten riskiert man sozialen Abstieg, Ausgrenzung, Haft, Folter und schließlich Tod. Und dennoch tun Menschen immer wieder genau dies: mucken auf und versuchen, die Grenzen der gerade gültigen Regeln zu verschieben, sie in Frage zu stellen oder sie sogar zu ändern, nur um sich (und anderen) mehr Freiheit zu verschaffen.
Die Frage war nun natürlich, was Freiheit denn überhaupt ist? Geht es darum, immer und zu jeder Zeit genau dass zu tun, wozu man Lust hat, oder geht es darum, immer und zu jeder Zeit das NICHT zu tun, was andere von uns fordern? Ist Freiheit also ein anderes Wort für völlige Selbstbestimmung oder die Möglichkeit jederzeit NEIN zu sagen?
Schnell war klar, dass die Freiheit des Einzelnen an der Freiheit des Nächsten enden müsste. Klassischer Fall: jemand hört gern Death-Metal und das am liebsten zwischen 3 und 5 Uhr morgens, der Nachbar muss um 7 Uhr raus um seine Job als Busfahrer zu erledigen. Der eine will schlafen, der andere feiern. Die Freiheit des einen ist die Unfreiheit, Unterdrückung, des anderen. Die meisten würden hier wohl im Metal-Fan das Arschloch sehen, weil er den schwer arbeitenden Familienvater davon abhält, seinen Job vernünftig zu machen.
Aber ist es so einfach?
Ganz offensichtlich ist der schwer arbeitende Busfahrer unfrei. Er lebt nach dem Zeitplan des Transportunternehmens. Ihm wird gesagt, wann er wo zu sein hat, und wann er wieder über seine Zeit allein bestimmen darf. Sein Leben gehört ihm nur für ein paar Stunden, ansonsten ist es vermietet oder sogar verkauft.
Der Metal-Fan hingegen tut genau das, was er braucht, um sich in dem Moment wohl zu fühlen. Niemand verlangt von ihm, genau um 3 Uhr die Anlage aufzureißen und um 5 Uhr damit aufzuhören. Er tut es, weil er sich danach ‘fühlt’.
Scheinbar ist Freiheit etwas, das wir alle fühlen, aber nicht unbedingt denken können. Bevor wir erkennen, ob die Regeln, die unser Leben leiten, richtig oder falsch sind, fühlen wir es bereits. Dieses Gefühl ist wohl älter als unser Verstand. Wie ein ungeheuer feiner Seismograph misst es, wie viel Macht wir wirklich über unser Leben haben und schlägt Alarm, wenn es den, für uns eingestellten, Mindestwert unterschreitet.
Nein sagen können und selbstbestimmt sein, sind im Grunde die zwei Seiten ein und derselben Medaille, ohne das eine wäre das andere unmöglich. Können wir es nicht, verlieren wir nach und nach alles, was unser Leben überhaupt lohnend macht. Wenn das Leben aber nichts mehr wert ist und trotzdem weitergeht, ist es schlimmer als der Tod.
Als wir soweit mit der Diskussion waren, fragte jemand, ob und wie man einen chinesischen Ebay-Händler dazu bringen könnte, eine iPhone-Kopie mit zerbrochenem Display zu ersetzen. Ob man dem wohl mit dem deutschen Gewährleistungsrecht drohen könnte? Jaja, die Freiheit des globalen Marktes.